Als der Portier aus der Telefonzelle 7 herauskam, war er ein wenig weiß um die Nase herum; er suchte seine Mütze, die er im Telefonzimmer auf die Heizung gelegt hatte. „Was war’s denn?“ fragte der Telefonist an seinem Schaltbrett, Hörer vor den Ohren und rote und grüne Stöpsel in den Fingern.
„Ja – sie haben die Frau plötzlich in die Klinik gebracht. Ich weiß gar nicht, was das heißen soll. Sie meint, es geht los. Aber es ist ja noch gar nicht soweit, Herrgott noch mal!“ sagte der Portier.
Der Telefonist hörte nur halb hin, denn er musste eine Verbindung herstellen. „Na, nur mit die Ruhe, Herr Senf“, sagte er dazwischen. „Schließlich haben Sie morgen früh Ihren Jungen -“
„Also schönen Dank auch, dass Sie mich hier ans Telefon geholt haben. Ich kann doch da vorne in der Loge nicht meine Privatgeschichten rumposaunen. Dienst ist Dienst.“
„Eben. Und wenn’s Kind da ist, ruf ich’s Ihnen durch“, sagte der Telefonist zerstreut und schaltete weiter. Der Portier nahm seine Mütze und ging auf den Zehenspitzen davon. Das tat er, ohne es zu wissen, weil seine Frau nun dalag und ein Kind bekommen sollte. Als er den Gang überquerte, an dem die Schreib- und Lesezimmer still mit halb abgedrehten Lampen lagen, schnaufte er tief aus sich heraus und fuhr sich durch die Haare. Er spürte erstaunt, dass seine Hand davon feucht wurde, aber er nahm sich nicht die Zeit, die Hände zu waschen. Schließlich konnte man nicht verlangen, dass der Hotelbetrieb aussetzte, weil der Portier Senf ein Kind bekam.
aus: Menschen im Hotel, 1929
Vicky Baum, eigentlich Hedwig Baum, österreichische Harfenistin & Schriftstellerin, (24.01.1888 – 29.08.1960)