Some Flowers oder Geschichten von botanischen Musen

Eigentlich dachte ich ja ich beginne zu gärtnern, wenn ich alt & silbergrau bin,und die athritischen Knie unterm Beetkissen knacken, so dass auch golfen keine Option mehr ist.

Und dann kam irgendwie alles anders 🙂

Jetzt, so mit Haus und und reichlich Hof, der bis vor ein paar Wochen noch undurchdringbarer Dschungel war, und erst nach 4 Tagen Baggerwühlens und Lastwagenpendelns zur Bauschuttdeponie überhaupt als Erde erkennbar war, ist mein Ehrgeiz geweckt, aus der nun tundrigen Fläche blühende Landschaften zu gestalten.

Und wie immer, wenn ich mich für eine neue Sache entflamme,  klingeln die Kassen der Buchhändler! Ohne Buch geht bei mir nix! Meist bleibt es natürlich nicht bei dem einen, sondern jenes führt geradewegs oder auch mal mäandernd zum nächsten und übernächsten. Ein bibliophiler Staffellauf sozusagen!

So auch bei der Planung meines zukünftigen Kleinod’s. Schnell war klar, dass meine puristischen, rechtwinkligen Tagen, in denen jede Farbe fern von schwarz-weiß, jedes Muster außer uni, mir als Verrat an den Vätern des Bauhaus erschienen wäre, nun erst einmal vorbei sind. Kein minimalistischer Betongarten, keine kontemplative Zen Architektur am Stein erwärmte mein sich gerade ausbildendes Gärtnerinnen Herz. Ich war begeistert vom englischen Cottage Garten, in dem es so üppig wild wächst, dass es einer Ode an die Fruchtbarkeit gleicht.

Natürlicher Wildwuchs, der geplant ist und vor allem botanisches Know-How verlangt. Wie bei einem Dating-Portal müssen die Matching-points ermittelt werden: auch Pflanzen haben, so habe ich gelernt, Bedürfnisse, die weit über Sonne, Wasser, Licht hinaus gehen. Die meisten haben Ansprüche an Erde, Nachbarn und Himmelsrichtung, dass selbst die Freundin, die an jedem Kerl was auszusetzen hat, plötzlich als vermittelbar erscheinen lässt.

Wer keine Ahnung von der Materie hat und großes Schaffen will, braucht Vorbilder. Meines und das von mindestens 99% aller englischen Gärtner, und englische Gärtner sind die, auf die es ankommt, hab ich auch gelernt, ist eine Frau: Victoria Mary Sackville-West.

Eine englische Adlige (1892 – 1962), verheiratet in einer sehr offenen Ehe mit dem homosexuellen Diplomaten Harold Nicolson, Mutter zweier Söhne, Gestalterin des Anwesens Sissinghurst, Schriftstellerin, & Inspiration für die Titelfigur des Romans „Orlando“ ihrer Freundin & Geliebten Virginia Woolf.

Eine schillernde Persönlichkeit, deren Leben selbst einem Roman gleicht, Brief-schreibwütig und mit einem Sohn gesegnet, der als Nachlassverwalter kein falsches Schamgefühl hatte, der Nachwelt Einblick in dieses zu geben.

Vita sah Schloß Sissinghurst in Kent 1930 zum ersten Mal und verliebte sich sofort in jenes Gebäude, das aus dem 15. Jahrhundert stammte und eigentlich unbewohnbar war. Es gab weder einen Wasser- noch Stromanschluss nur Vita sah hinter den „Unmengen alter Bettgestelle, Pflugscharen, alten Kohlstrünken, zusammengefallenen Trockenklosetts, Drahtknäuel und Bergen von Sardinenbüchsen…“ schon am ersten Tag, „was daraus zu machen war: Es war das Schloß von Dornröschen.„. Sie kaufte es, ließ es renovieren und zog 1932 mit ihrer Familie ein. In den 30 Jahren, die sie bis zu ihrem Tod dort lebte, schuf sie rund um die Gebäude einen einzigartigen Garten, der zu den schönsten von ganz England gezählt wird und dem sie in einem Gedicht huldigte.

„Eine müde Schwimmerin im Meer der Ewigkeit
Laß ich die Wellen über mir zusammenschlagen:
Sink durch Jahrhunderte in eine andre Zeit
und finde Schloß und Rose, die dort begraben lagen.“

 

In jenem dünnen Band „Meine Lieblingsblumen“, poetischerer der englische Titel „Some flowers“, verbindet sich ihr botanisches Wissen mit ihrem erzählerischen Können. Fachlich fundiert und kurzweilig stellt sie eine Auswahl, der von ihr so genannten 25 „Malerblumen“ vor. Blumen, die sie in ihrem Garten angepflanzt hat, deren Schönheit möglicherweise erst auf dem zweiten Blick zu erkennen sind, die aber die genauere Betrachtung auch durch das verwöhnte Malerauge  wert sind.

 

Vita Sackville-West, „Meine Lieblingsblumen“, erschienen im Insel Verlag

 

 

Für die, die ich neugierig gemacht habe:

 

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Sissinghurst: bei Cranbrook, Kent, eine Autostunde südlich von London,
Garten geöffnet von April bis Oktober, verwaltet durch den National Trust

http://www.invectis.co.uk/sissing/

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