Der neue Kriminalroman von Petra Johann versucht sich in der Verbindung von Kriminalfall und klischeehafter Milieustudie. Die promovierte Mathematikerin mit der Abneigung gegen unlogischen Auflösungen, die ich teile, neigt dabei leider zum anderen Extrem. Ihre Figuren lassen keine Frage offen, in der Manie von Erklärbären wird dem Leser jede noch so kleinste Nullstelle zugeplappert.
Aber zuerst zum Inhalt laut Klappentext:
„Als im September 2000 die Unternehmerstochter Lena und ihre beste Freundin Ronja Opfer einer Entführung werden, beginnt ein erbitterter Nervenkrieg zwischen dem Entführer, der sich »Der Vollstrecker« nennt, und den Familien der Mädchen. Obwohl die beiden Münchner Kripobeamten Eva Schaller und Jakob Schuster alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Mädchen zu retten, endet die Entführung in einer Katastrophe mit zwei Toten.
Siebzehn Jahre später brechen alte Wunden wieder auf, als in einem Waldstück eine skelettierte Leiche gefunden wird. Plötzlich erscheinen die Ereignisse von damals in einem noch viel erschreckenderem Licht.“
Der Roman ist in 2 Teile geteilt. Die Tage der Entführung im Sommer 2000, in der aus der Sicht der nicht sehr selbstbewussten 15-jährgen Magdalena, genannt Leni , der Tochter eines ehemaligen Boxers und Selfmade-Millionärs mit Millieuvergangenheit, die angstvollen Tage der Gefangenschaft geschildert werden. An ihrer Seite, ihre Freundin aus Grundschultagen, die ihrem Namen alle Ehre machende Ronja, deren Eltern systemkritisch, um nicht zu sagen verschwörungstheoretisch unterwegs sind, und weder den, in dem Fall ermittelnden Beamten, noch der Polizei im Allgemeinen trauen. Zeitgleich wird der Ermittlungshergang aus Lenis Elternhaus, einer Villa in Münchens noblen Stadtteil Grünwald, in der sich neben Lenis Vater, seine zur Familie gehörenden Vertrauten, die Haushälterin und der Buchhalter, auch noch seine geschiedene Ehefrau Corinna, sowie das Ermittlerduo und Ronjas geschiedene Eltern, Birgit und Jürgen, aufhalten. Die oft kammerspielartigen Szenen im Haus haben mir gut gefallen, auch der Nebenerzählstrang, der persönlichen Verstrickung des Duos und die daraus resultierenden körperlichen Folgen, sind eigentlich eine ganz nette Idee. Dieser Teil endet mit dem Ende der Entführung und zwei Toten.
Der zweite Romanteil setzt erst 17 Jahre später ein. Durch das zufällige Auffinden einer weiteren Leiche und dem Vergebungsanliegen eines ihrer Entführers drängt sich das Verbrechen erneut in Lenis Leben. Magdalena, nun eine selbstbewusste und erfolgreiche Geschäftsfrau, versucht mehr über die Hintergründe ihrer Entführung und die Rolle, die die Personen aus ihrem Umfeld dabei gespielt haben, zu erfahren. Vor allem dieser Teil war mir zu „erklärungslastig“. Gefühlt saß die Protagonistin in jeder zweiten Szene mit einer weiteren Romanfigur an einem Tisch bei Kafffee oder Tee und Kuchen und redete. Nichts gegen Kaffeeklatsch, nichts gegen Dialoge in einem Roman. Kommunikation als solche ist natürlich gut und sicherlich auch beziehungsfördern, wenn sie vom Autor aber überstrapaziert wird, um in sozialpädagogischer Manier den Lesern die sozialisationsbedingten Handlungsmotive der Figuren zu erläutern, aber eigentlich nur über das Unvermögen des Autors hinwegtäuschen sollen, die Handlang auch anders voranzubringen, dann votiere ich für weniger Geplapper.
Nicht mein Krimi, mich erinnerten die stereotype Figurenzeichnung und die Dialoglastigkeit leider zu sehr an Versatzstücke typischer Vorabendserie, so ein Hybrid aus Frauenfilm à la Doctors Diary und Rosenheim Cops
Petra Johann: Die Entführung. Blanvalet Verlag. erscheint am 20.05.2019